Teil 1: Der Musikunterricht an der Primarschule

1.1 Auszug aus dem Schulreglement

1.2 Aus dem Lehrplan Musik

1.3 Bedeutung der Lehrmittel

1.3.1 Allgemein

1.3.2 Lehrmittel im Fach Musik

1.4 Die Stellung des Musikunterrichts

1.5 Die Einstellung zum Musikunterricht

      1. Zusammenfassung der Umfrage
      2. Motivation und andere Faktoren

1.6 Caroline Steffen

 


1.1 Auszug aus dem Schulreglement

Die Anzahl Musiklektionen pro Woche variiert von Kanton zu Kanton. Im Kanton Luzern müssen in der Wochenstundentafel aller Primarschulstufen zwei Lektionen Musik enthal-ten sein. Es gibt jedoch bereits Schulen, an denen mehr als die geforderte Anzahl angebo-ten wird.1

Wie steht es jedoch mit der individuellen Handhabung? Ist es erlaubt, auch Musik zu erteilen, wenn es nicht auf dem Stundenplan steht? Frau Zumsteg von städtischen Rektorat erklärte mir, dass durchaus ein gewisser Handlungsspielraum für die einzelne Lehrperson besteht. Sie kann zu Beginn des Tages oder zwischendurch Musik machen; - also nach Belieben Musikunterricht erteilen.

 


 

1.2 Aus dem Lehrplan Musik

Musik existiert im Leben eines jeden Menschen, ob er sie nun bewusst oder unbewusst wahrnimmt. Sie ist ein wesentlicher und eigenständiger Wert.2

 

Bedeutung des Faches

Heutzutage hören Kinder und Jugendliche sehr häufig Musik und sind in ihrer Freizeit eben-falls musikalisch aktiv. Die gemeinschaftsbildende Kraft der Musik, die konstruktive aber auch manipulierende und sogar destruktive Auswirkungen haben kann, erleben sie eben-falls.

Die Musik ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie stellt eine Möglichkeit des Ausdrucks und der Kommunikation dar. Durch gemeinsames Musizieren fördert man die soziale Entwicklung der Kinder und die Entfaltung ihrer Persönlichkeit.3

Musikunterricht hat auch einen Einfluss auf die geistige Entwicklung der Kinder. Das akustische Wahrnehmungsvermögen, die geistige Leistungsfähigkeit werden erhöht und die Kon-zentrationsfähigkeit, das Gedächtnis sowie das ganzheitlich vernetzte Denken geschult.4

Musikunterricht an der Primarschule muss deshalb ein Teil der Bildung sein, in dem jedes Kind individuell gefördert werden soll, wie auch in anderen schulischen Fächern.

 


  1. Nähere Angaben dazu im Teil 2 der Diplomarbeit im Kapitel 2.3 "Projekte", S. 17
  2. Entnommen aus dem Lehrplan für das 1. – 9. Schuljahr des Kantons Luzern
  3. 3, 4 Siehe auch Kapitel 2.3.1 "Musik macht Schule", S. 17

      1. "Erweiterter Musikunterricht in der Stadt Luzern", S. 20
      2. "Grundschulobligatorium Schenkon", S. 21

 


1.3 Die Bedeutung und Funktion der Lehrmittel

1.3.1 Allgemein

In Lehrmitteln findet man als Lehrperson Anregungen, Tipps und Hinweise zur konkreten Durchführung einer Lektionseinheit oder einzelner Lektionen. Manchmal findet man auch vorbereitete Lektionen, die man gleich übernehmen kann. Lehrmittel helfen der Lehrperson mit grösserer Effizienz die Vorbereitungen durchzuführen. Das zeitaufwendige Nachschlagen oder Nachfragen bei Fachpersonen fällt weg, da die nötige Hintergrundinformation bereits gebündelt und geordnet in einem Ordner oder Ähnlichem vorliegt.

 

 

1.3.2 Die Lehrmittel im Fach Musik

Als obligatorische Lehrmittel werden im Fach Musik die drei Werkhefte vom Comenius – Verlag1 verwendet. Es sind dies das "Ta- düü" (Unterstufe), das "Dubidap" (Mittelstufe) und das "Baladugu" (Oberstufe). Die Autoren Röösli, Zihlmann und Linggi haben zu den Schü-lerarbeitsheften jeweils einen Lehrerkommentar herausgegeben. Man findet darin Lernziele, didaktische Anregungen und Hinweise zur betreffenden Schülerseite im Arbeitsheft. Diese Mappe enthält auch Unterrichtsvorschläge zu den fünf Grobbereichen.2

Meiner Meinung nach lässt sich der Unterricht mit Hilfe dieses Werkheftes gut vorbereiten. Lehrpersonen, welche unsicher sind bezüglich Musikunterricht, steht eine gute Orientierungs- und Vorbereitungshilfe zur Verfügung. Man kann viele Vorschläge daraus gleich umsetzen. Aber auch Lehrkräften, die sich in diesem Fach heimisch fühlen, dient diese Mappe als Ideensammlung für den Unterricht. Aus meiner Sicht lässt das Lehrmittel der Lehrperson genügend Freiheit, eigene Ideen einzubringen oder diese mit Vorschlägen aus der Mappe zu kombinieren. Es lohnt sich also bei der Vorbereitung für die nächste Musiklektion einen Blick hineinzuwerfen

Sicher spricht vieles für dieses ansprechende Lehrmittel. Ich muss jedoch anmerken, dass einige der vorgeschlagenen Lieder etwas phantasie- und lustlos sind. Für mich gehört deshalb das Schweizerische Mittelstufensingbuch (SSM) und das Singbuch "VIVA" zu jeder persönlichen Lehrerbibliothek.

Im "SSM" findet man ein- und mehrstimmige Lieder nach Themenbereichen geordnet. Der Anhang enthält sogar eine Einteilung der Lieder in Epochen, Herkunftsregion und Verwendung3. Ausserdem ist im Inhaltsverzeichnis die geeignete Liedbegleitung angegeben.

"VIVA" ist eine farbig illustrierte Liedsammlung für das 4.- 6. Schuljahr. Nach Themen geordnet beinhaltet sie auch einige sogenannte Evergreens aus dem Rock- und Popbereich. Der Leser findet zu jedem Lied Hinweise zur Begleitung, zur Herkunft, manchmal auch Mundartversionen fremdsprachiger Lieder oder Bewegungsvorschläge. Einige Lieder sind zwar bereits im "SSM" enthalten. Ich erachte aber dieses ansprechend gestaltete Singbuch dennoch als notwendige Anschaffung, da es auch neue, unbekannte Lieder enthält.4


  1. Nähere Angaben siehe Literaturverzeichnis Seite 34
  2. Singen, Musikhören, Musizieren, Bewegen, musikalische Grundlagen
  3. z.B. Liedanfänge zur Musiklehre im 5-Tonraum
  4. z.B. "Epo i tai tai", ein Maori-Song aus Neuseeland S. 36

 

 

 

Weiter empfehle ich die Liederbogen 1 und 2 sowie das Rondo. Diese drei sind vor allem bei Jugendgruppen wie Blauring und Jungwacht beliebt. Sie enthalten viele Hits. Die Palette reicht von Mundartsongs über Spirtiuals bis hin zu Schlagern und Titeln moderner Musikrichtungen. Die Begleitakkorde sind gleich dazu angegeben. Ungeübte Gitarrenspieler finden im Anhang eine Grifftabelle sowie Hinweise zur Verwendung eines Kapotasters. (Ein mechanisches Gerät, welches einem mit wenigen Handgriffen die Stimmung der Gitarre verändern lässt)

Auch "Sing & Swing" von Maierhofer und Kern1 eignet sich als Ergänzung zur übrigen Lied-sammlung. Neben bewegenden und besinnlichen Liedern enthält dieses Buch eine Menge heiterer, lustiger Lieder und Sprechstücke. Neben bekannten Ohrwürmern sind auch unbe-kannte fremdsprachige Lieder zu finden.

 


1.4 Die Stellung des Musikunterrichts

In den Leitideen für die allgemeine Volksschule steht unter "Allgemeine Ziele für die Volks-schule" Folgendes geschrieben:

"Die Schule muss ....... auf ausgewogene Bildung der menschlichen Kräfte bedacht sein. Verstand, Gemüt, Wille, Gemeinschaftssinn, handwerkliche und künstlerische- schöpfe-rische Fähigkeiten sollen gleichermassen angeregt und gefördert werden."

Daraus ist zu schliessen, dass alle Schulfächer einander gleichgestellt und auch gleichge-wichtet sind. Auch die Unterteilung in wichtigere, sogenannte Hauptfächer1 und Nebenfä-cher2 wird nicht vorgenommen. Vielleicht rührt diese Einteilung daher, weil der Stundenplan zum Beispiel mehr Mathi- und Deutschlektionen enthält, als Musik– oder Werkstunden.

Non vitae sed scholae discimus?3

Der Stundenplan der Primarschüler zeigt eine klare Gewichtung des Sprach- Sach- und Mathematikunterrichtes. Warum?

Tatsache ist, dass in unserem Bildungssystem die "Hauptfächer" bei der Promotion alleine ausschlaggebend sind. Statt nach den Bedürfnissen der Schüler sind die Lehrpläne und die Lehrpraxis nach den Prüfungsanforderungen der weiterführenden Schulen ausgerichtet. Se-lektionsprüfungen fragen nämlich eingeschränktes, formallogisches Wissen ab. Da liegt also der Ursprung für die grössere Gewichtung der sogenannten "Hauptfächer".

Die Unterteilung existiert aber nicht nur in den Köpfen der Schüler und Lehrpersonen, sondern auch in der gesammten Gesellschaft, wie Ernst W. Weber schrieb:4

"Es geht nicht nur darum, in den Schulen die sogenannten "Hauptfächer" in den gleichen Rang zu stellen, wie die "Nebenfächer" Zeichnen, Gestalten, Werken, Umgehen mit anderen, Religion, Musizieren, Singen, Tanzen, Bewegen und Theaterspielen. Auch die Berufe des Tänzers, der Musikerin, des Schauspielers, der Sängerin, der Handwerker müssten gesellschaftlich aufgewertet werden.

 

1 Hauptfächer: Deutsch, Mathematik, Mensch und Umwelt

2 Nebenfächer: Bildnerisches und Techn. Angewandtes Gestalten, Musik, Turnen

  1. Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir (Ursprünglich: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir!)
  2. aus: PanZeitung, Zeitschrift für musikalische Bildung, Herbst 3/99, Seite 13

 

 

 

 

Leider ist es aber bewiesen, dass vor allem das naturwissenschaftliche, mathematische Wissen, welches man sich während der gesamten Schulzeit mühsam angeeignet hat, am schnellsten wieder vergessen geht. In einem Artikel des Magazins "FACTS"1 wird zudem berichtet, dass für viele naturwissenschaftliche Fächer wie Mathematik nach der Schulzeit keine Rolle mehr spielen. Mathematik wird aber wegen seiner scheinbaren Objektivität für Selektionsentscheide besonders geliebt. Man rechtfertigt sich auch damit, dass nicht der unmittelbare Nutzen dieses Faches im Vordergrund steht, sondern die durch Mathematik vermittelten Lösungsstrategien und Fähigkeiten ein Problem systematisch anzugehen und zu lösen.

Musikpädagogen mussten jedoch jahrelang vergeblich zu beweisen versuchen, dass Musik in jeder Hinsicht ebenfalls ein wichtiges und ernstzunehmendes Fach ist. Sie stützten sich dabei auf die ausserfachlichen Wirkungen des Faches, um die geringe Stellung des Musik-unterrichtes zu verbessern. Sogenannte Transferwirkungen liessen sich auch bei anderen Fächern nachweisen und rechtfertigen die Wichtigkeit der Musik überhaupt nicht, war da-raufhin zu hören.

Nun gerät die alte Hierarchie ins Wanken und die Unterteilung in Haupt- und Nebenfächer wird von vielen Seiten scharf kritisiert. Im gleichen Zug ist auch von der einseitigen, linkshemisphärischen Benotung die Rede. Es wird darüber diskutiert, wie der ideale Promotionsentscheid aussehen soll, der Schüler ganzheitlich beurteilt. Ganzheitliche Bildung im Sinne Pestalozzis wird gefordert:

"Kopf, Herz und Hand, und damit auch beide Hirnhälften, sind gleichwertig auszubilden. Die Unterscheidung in Haupt- und Nebenfächer ist sachlich überholt."2

Auch in den "Leitideen für die Primarschule" steht bezüglich Behandlung des Stoffes:

"Der Stoff ist im Unterricht so zu behandeln, dass der Schüler möglichst in seiner Ganz-heit, d.h. auf mehrere Sinnesorgane angesprochen wird sowie als fühlendes, denkendes, wertendes und handelndes Wesen ."

Die ganzheitliche Ausbildung der Schüler steckt jedoch noch in den Kinderschuhen.

Vielleicht nicht zuletzt, weil jedem Fach gewisse Qualitäten im kognitiven, emotionalen und pragmatisch-sensomotorischen Bereich zugewiesen werden. Ganzheitlichkeit fordert aber eine gleichzeitige und gleichwertige Förderung aller vorhin genannten Bereiche. Man darf deshalb Fächer nicht neu unterteilen in Kopf, Herz und Hand. In der Mathematik, der Spra-che wie auch in der Musik müssen Verstand, Gefühl und Körperlichkeit zusammenspielen.

Oder wie es Toni Haefeli, Fachdidaktiker für Schulmusik und Geschichte an der Lehramtsschule des Kantons Aargau fordert:

"Die Alternative Leistung oder Lust ist falsch. Zu fordern ist:

Leistung und Lust, An- und Entspannung, Innovation und Affirmation in jedem Lernbereich. Oder anders ausgedrückt: mehr Herz und Hand im Rechnen, mehr Kopf in der Musik." 3

 


1 FACTS Nr. 16/ 1999, Seite 38- 44

2 aus: Weber, Spychiger, Patry, "Musik macht Schule", Seite 144

3 Zitat aus Artikel im Zürcher Tagesanzeiger mit dem Titel "Mehr Herz und Hand im Rechnen, mehr Kopf in der Musik",

abgegeben in der BG- Fachdidaktik bei Herrn Josef Bösch

 

 


 

1.5 Einstellung zum Musikunterricht

"Generelle Ablehnung der Musik hat es zu keiner Zeit gegeben; negative Einstellung richtet sich immer wieder gegen Musikarten und Ausdrucksmittel, die aus verschiedensten Gründen unerwünscht sind."1

Verbunden mit der Einstellung zum Musikunterricht ist die Einstellung zur Musik allgemein.

Aus der Umfrage bei Lehrpersonen und Schülern verschiedener Primarschulstufen zeigte sich:

(U.L., Emmenbrücke)

Es stellte sich aber auch heraus, dass Musik vor allem mit Musik hören verbunden wird. Nur wenige der befragten Lehrpersonen gaben an, ein Instrument zu spielen, zu singen oder zu tanzen. Einige möchten oder haben bereits teilweise die Musikstunden an Lehrerkollegen oder Fachlehrpersonen abgeben, da sie kein Instrument spielen oder sich zu wenig sicher fühlen, da ihnen die musikalischen Grundlagen und Kenntnisse fehlen.

Auch Erinnerungen aus der eigenen Schulzeit beeinflussten die Einstellung zur Musik und zum Musikunterricht. Vor allem "Türen, die während der Seminarzeit geöffnet wurden", werteten viele der Befragten als positiv.

 

1.5.1 Zusammenfassung der Umfrage

In der Freizeit musikalisch aktive Lehrpersonen erteilen auch das Fach Musik sehr gerne. Sie messen diesem Fach einen sehr hohen Stellenwert bei und möchten es auf keinen Fall missen. Aber auch eher wenig musikbegeisterte Lehrkräfte setzen sich gerne für projektorientierten Unterricht wie zum Beispiel ein Weihnachtsspiel ein.

Obwohl die Musikstunden gewöhnlich lauter sind und man häufig lange warten muss, bis wieder Ruhe eingekehrt ist, unterrichten praktisch alle der befragten Lehrpersonen gerne Musik. Ihrer Meinung nach verringert eine gut vorbereitete Musikstunde die disziplinarischen Störungen. Musik, Tanz, Singen, körperliche Aktivitäten eigenen sich nämlich bestens für Schüler, die sonst eine sehr kleine Konzentrationsspanne haben.

Aus der Sicht der Lehrpersonen verändern sich die Schüler teilweise sehr stark im Vergleich zum "normalen" Unterricht. Ihr Verhalten kann vom Inhalt abhängig sein und ist von Klasse zu Klasse verschieden.

Es ist schön zu beobachten wie Schüler aus sich herauskommen, aufgestellt sowie konzentriert und begeistert bei der Sache sind. Aber nicht alle verhalten sich so. Die Spannweite der Motivation ist gross und reicht "von abgelöscht bis sehr motiviert". Einige spielen den Clown, andere schämen sich aufgrund ihrer musikalischen Fähigkeiten. Vor allem Jungen der 5./ 6. Klasse singen nicht mehr gerne, da sich der Stimmbruch bemerkbar macht. Sie neigen auch dazu sehr tief zu singen.

Musiktheorie ist bei den Schülern wie auch bei den Lehrpersonen eher unbeliebt. Es sind grosse Leistungsunterschiede vorhanden, da einige ein Instrument spielen. Falls in unteren Klassen Musiktheorie gänzlich vernachlässigt wurde, ist es äussert mühsam diesen Stoff nachzuholen. Klar ersichtlich war, dass die Schüler dem Singen gegenüber der Theorie den Vorzug geben, vor allem wenn "Hitparaden- Lieder" gesungen werden.

  1. aus: Die Einstellung zur Musik und zum Musikunterricht, SCHOTT- Verlag, S. 20

 

 

 

Laut den Lehrern finden nebst Singen und Musikhören auch sogenannte "Projekte" und das Musizieren mit Instrumenten grossen Anklang. Oder anders gesagt: Musikunterricht sollte vor allem "Spass und Plausch machen und nichts mit Lernen zu tun haben".

Die Schüler möchten, bis auf ein paar wenige, das Fach nicht abschaffen, da es einen guten Ausgleich zum übrigen Unterricht bietet. Manchmal ist es ihnen zwar langweilig, aber wenn "coole" Lieder gesungen werden, gehen sie gerne in den Musikunterricht. Auf die Frage, ob sie gerne noch mehr Musiklektionen hätten, sind die Befragten geteilter Meinung. Einige wollen auf keinen Fall mehr Musikstunden, da sie nicht gerne singen, kein Instrument spielen, es langweilig oder es schlicht und einfach "übertrieben" wäre. Der grösste Teil der befragten Schüler findet es "gut so, wie es ist". Mehr Stunden kämen nur dann in Frage, wenn diese auf Kosten eines anderen Fach gingen, da "Musik nicht so streng ist". Bedeutend weniger Schüler beantworteten diese Frage mit "Ja". Ihrer Ansicht nach gäbe es dann "mehr lustige Stunden in der Schule". Auch "weil ich gerne singe und tanze" oder "es ist mein Lieblingsfach" wurde genannt.

 

1.5.2 Motivation und andere Faktoren

Ein Buch aus der Reihe Musikpädagogik "Forschung und Lehre"2 befasst sich ausgiebig mit dem Thema und kam aufgrund von Studien zu folgenden Ergebnissen:

Die Einstellung der Schüler zum Musikunterricht ist schon bei Schuleintritt verschieden und wesentlich durch die Reaktionen der Umwelt bezüglich musikalischem Verhalten geprägt.

Während der Schulzeit werden Einstellungen, die sich auf die Selbsteinschätzung musikalischer Fähigkeiten beziehen und die Erwartungshaltungen an die Lehrpersonen betreffen, positiv oder negativ verstärkt.

Doch im Musikunterricht ist nicht nur die persönliche Einstellung zur Musik massgebend. Andere Faktoren wie zum Beispiel die allgemeine Einstellung zur Schule, zur Lehrkraft und deren Unterrichtsstil, aber auch zum Fach Musik und seinen Inhalten und nicht zuletzt diejenige gegenüber den Mitschülern beeinflussen die Einstellung zum Musikunterricht.

Ernst W. Weber4 sieht es viel kritischer und meint mit Bedauern:

Die Schüler wissen, dass ihre Leistungen im Musikunterricht bezüglich Selektionsentscheid überhaupt nicht ins Gewicht fallen und verhalten sich dementsprechend. Um den Unterricht dennoch attraktiv zu machen, geht man auf die Wünsche der Schüler ein. Die disziplinari-schen Probleme zeigen sich kaum mehr, aber es hat Konsequenzen für die Lehrperson. Wenn sie noch etwas Autorität erhalten will, muss sie "ständig die neusten Hits der Szene kennen", sonst hat sie "nichts mehr zu melden".

Die Aufgabe der Schule sollte es aber sein, auch andere Musik zu vermitteln, denn sonst ist es, als ob "wir Literatur nur noch in Form von Comics akzeptieren würden". Wenn dieser Auftrag gar nicht oder nur mangelhaft erfüllt wird, hilft die Schule mit, "geistige Ansprüche abzubauen und das abendländische Erbe auf seine zivilisatorischen Komponenten zu reduzieren."

 


1, 2 Musikpädagogik, Forschung und Lehre, "Die Einstellung zur Musik und zum Musikunterricht" (Band 6), SCHOTT, Seite 20-22

  1. Meinrad Ansohn in: "Musikunterricht heute" von Volker Schütz, Seite 50/ 51
  2. Ernst W. Weber, "Schafft die Hauptfächer ab"

 

 

 


1.6 Caroline Steffen

Frau Caroline Steffen ist, zusammen mit Guido Kälin, Beauftragte für Musik der Stadtschulen Luzern. Sie ist nebenbei noch als Musik- und Bewegungspädagogin tätig und erteilt musikalische Früherziehung in der Stadt Luzern.

Ich traf mich mit ihr und befragte sie zur Stellung, zu den Problemen und Tendenzen des Musikunterrichts. Sie gab mir auch Auskunft über das Projekt mit erweitertem Musikunterricht in der Stadt Luzern und des daraus entstandenen Integrationsmodells1.

Laut Caroline Steffen sind die Ziele des Lehrplans verbindlich. An ihnen soll man sich orientieren, um zu wissen, welche musikalischen Kenntnisse ein Schüler am Ende der Primarschulzeit erreicht haben sollte. Leider ist es eine Tatsache, dass die Forderungen des Lehrplans in kaum einem anderen Fach so schlecht umgesetzt werden, wie in der Musik. Die Umsetzung der Lernziele wird unterschiedlich gehandhabt und deren Kontrolle zeigt sich als schwierig.2

Als Gründe für den niederen Stellenwert des Musikunterrichts nennt Caroline Steffen den grossen Stoffdruck in den anderen Fächern. Häufig wird auf Kosten der Musik weitergearbeitet oder etwas fertiggemacht. Dass Musik einen tieferen Stellenwert hat als andere Fächer, ergibt sich auch dadurch, dass die Musiknote für den Übertritt an eine andere Schule nicht ausschlaggebend ist. Das heisst aber nicht, dass Musikunterricht deshalb nur eine Spielerei und die Forderung nach musikalischem Experimentieren manchmal nur ein "Pläuschle" sein soll. Die Lehrperson sollte sich wie in jedem anderen Fach seriös auf die Stunden vorbereiten, um die allfälligen disziplinarischen Probleme im Griff zu haben. Überforderte Lehrpersonen, die aufgrund fehlender Grundlagen, mangelnder Beherrschung eines Begleitinstrumentes oder anderer Gründe nicht so gerne Musik unterrichten, tragen zur Abwertung des Faches bei, da sie eine Vorbildrolle inne haben. Sicher kann man nicht von allen Lehrpersonen verlangen, dass sie begeistert Musik erteilen. Caroline Steffens Wunschvorstellung des Unterrichts wäre daher der erweiterte Musikunterricht3 mit Unterstützung einer Fachlehrperson von der ersten bis in die sechste Primarklasse und dessen Weiterführung auf der Orientierungsstufe.

Frau Steffen erachtet es jedoch als sinnvoll, wenn die Klassenlehrperson Musik erteilt, vorausgesetzt, sie ist dazu fähig. Ihre Bitte wendet sich daher auch an die Seminarien und die zukünftigen Ausbildungsstätten von Primarlehrkräften. Auch Seminaristen sollten mehr als zwei Lektionen Musik pro Woche besuchen, um nicht nur wie bisher einen Teil abzudecken. Meist beschränkt sich nämlich das musikalische Arbeiten auf die bevorzugten Teilgebiete der jeweiligen Musiklehrperson. Positiv bewertet Caroline Steffen, dass man an der Aufnahmeprüfung die musikalischen Kenntnisse prüft und das Erlernen eines zusätzlichen Begleit- oder Melodieinstrumentes während eines Jahres obligatorisch wurde. Daher ist ihre Forderung an die pädagogische Hochschule, dass die Absolventen ebenfalls über theoretische und praktische musikalische Kenntnisse verfügen müssen, um Musik unterrichten zu dürfen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man dieses Fach nicht belegen würde, aber nachher auch nie Musikunterricht erteilen dürfte.


1,3 Siehe Kapitel 2.3.2 "Erweiterter Musikunterricht in der Stadt Luzern", Seite 20

2. Es gibt Lehrkräfte, die keine Musiknoten machen und nur einen Vermerk "besucht" ins Zeugnis setzen. Andere wiederum nehmen dies sehr ernst und prüfen die verschiedenen Bereiche und verteilen Noten. Es zeigt sich jedoch, dass ohnehin schwache Schüler bei Musiktheorieprüfungen auch schlecht abschneiden, da dies nichts mit Musik zu tun hat.

 

 

 

 

Mein Vorschlag, ein Schulmodell mit Musikunterricht als Freifach, als Konsequenz der vorangegangenen Ausführungen zur Stellung des Musikunterrichtes, gibt es bereits in Hamburg. Mögliche Änderungen wie diese gibt es laut Caroline Steffen kaum:

"In der Stadt Luzern befindet man sich auf dem Weg, der dazu führt, dass immer mehr Kinder einen guten Musikunterricht erleben können. Die Stadt Luzern hilft mit, da sie kulturinteressiert ist. Es lässt sich nicht gut vereinbaren, dass auf der einen Seite das KKL gebaut werde und andererseits die Musikstunden abgebaut würden. Die Regierung will, dass der Musikunterricht intensiviert wird und bewilligte deshalb auch das Integrationsmodell."

Bis sich die Einstellung zum Musikunterricht in der Gesellschaft ändert, wird es ihrer Meinung nach sicher noch mehr als zwanzig Jahre dauern. Früher hiess das Fach Singen und hatte einen ganz anderen Wert als heute. Guter, mehrstimmiger Gesang und ein grosses Liedrepertoire empfand man als wichtig. Tatsache ist, dass die Kinder heute zwar viel schlechter singen können. Caroline Steffen fügt aber an, dass der heutige Musikunterricht nicht nur Singen beinhaltet, sondern aus mehreren Bereichen besteh, somit viel um-fassender ist und von der Lehrperson mehr verlangt.

Für einige ist Musik immer noch eine Musse, die im richtigen Leben nicht zählt. Ein Umdenken findet dann statt, wenn die Schule ein Vorbild ist. Frau Steffen weiss, dass für die Zweit- und Drittklässler des Integrationsmodells Musik ein Fach wie jedes andere ist. Dieses andere Denken muss aber nicht nur bei Schülern und Lehrkräften, sondern in der ganzen Gesellschaft vorhanden sein.