Stellenwert des Musikunterrichts an der Primarschule

 

 

Musikunterricht an der Primarschule

Seit Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehten, werden in diversen Europäischen Ländern immer wieder Untersuchungen angestellt, die die Auswirkung von Musik und somit Musikunterricht auf Schüler der Primarschulstufe zum Thema haben. Die Untersuchungen werden jeweils so eingerichtet, dass verschiedene Versuchsklassen mit unterschiedlich vielen Musiklektionen pro Woche unterrichtet werden. Bei jenen, die wenige Musiklektionen erhalten, werden die fehlenden Stunden natürlich mit anderen Fächern "aufgefüllt". Das Resultat solcher Untersuchungen ist längstens bekannt: Die Schüler mit viel Musik stehen den andern Schülern überhaupt nicht hintennach, weder in Mathematik, noch Sprache noch sonst irgendwo. Das heisst, sie kompensieren mühelos die ihnen vorenthaltenen Lektionen in den obengenannten Fächern.

Meine Praktikumsbesuche bei den SeminaristInnen der 4. Und 5. Klasse des Seminars und auch meine Gespräche mit  LehrerInnen bestätigen das Resultat der oben beschriebenen Untersuchungen. Sie zeigen klar auf, was in der Primarschule wirklich notwendig ist:

  • Was die Kinder brauchen:

Einen Unterricht, der für sie nicht monoton ist, d.h. der ihre verschiedenen Sinne möglichst gleichmässig anspricht und sie damit aufnahmefähiger werden lässt. Musik lässt bekannterweise andere Ebenen im Menschen schwingen als Mathematik oder Deutsch oder naturkundliche Fächer. Kinder, welchen diese Abwechslung (nicht nur in Form von Musik, sondern auch Zeichen, Gestalten, Sport) ermöglicht wird, sind sehr aufnahmefähig, ganz zu schweigen von jenen Kindern, die in den sogenannten allgemeinbildenden Fächern Mühe haben. Für sie ist Musik ein Ausgleich im Fächerangebot der Schule, selbst dann, wenn sie mit der Musik nicht besonders viel anfangen oder besonders geschickt damit umgehen können (!)

  • Anforderungen an den musikunterrichtenden Primarlehrer:

Die oben genannten Punkte beschreiben nur die eine Seite der Sache. Sehr entscheidend in der Diskussion um das Fach Musik an der Volksschule ist jedoch die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer an den Seminarien. Ich habe während meiner Praktikums- und Unterrichts-Besuche kein anderes Fach kennengelernt, das auch nur annähernd so schwierig zu unterrichten ist wie Musik. Da vielen Leherinnen und Lehrern (auch der jungen Generation), die Ausrüstung für einen spontanen und abwechslungsreichen Musikunterricht fehlt, wird auch von ihrer Seite dem Fach Musik an der Volksschule ein besonderer Stellenwert zugeordnet; und zwar nicht ein besonders hoher! (-) Was nämlich die Schulkinder wünschen, ist vorallem auch ein aktives Musizieren im Klassenzimmer, mit echten Instrumenten, mit Phantasieinstrumenten, mit dem Körper usw. Wenn Kindern die Möglichkeit geboten wird, diesen Umgang mit Musik ab dem Vorschulalter immer wieder zu erleben und zu trainieren, so vermag ihnen in den oberen Schulklassen die Musik über manch andere Schwierigkeit hinwegzuhelfen und sie somit in ihrem sogenannten Leistungsverhalten zu stärken.

Musik ist dann nicht einfach mehr ein Schulfach, das nach Schulbuch "xy" unterrichtet wird, sondern ein Fach, das einen echten Gegensatz bietet zum übrigen Fächerangebot der Primarschule. Genau dieser Gegensatz ist der Grund, wieso Kinder mit viel Musik ihre Gesamtleistung zu verbessern vermögen.

  • Anforderungen an die Musikausbildung an den Lehrerseminarien:

Abwechslungsreichen Musikunterricht bieten zu können an der Primarschule, bedeutet für die angehenden LehrerInnen, dass auch sie dementsprechend ausgebildet werden müss(t)en in der Lehrerausbildung.

Nur wenn die angehenden LehrerInnen imstande sind, sowohl ihr persönliches (am Lehrerseminar erlerntes) Instrument als auch die sogenannten Orff-Instrumente im Unterricht an der Schule spontan einzusetzen, werden auch für sie selber die Musiklektionen an der Primarschule zu einem Erlebnis werden. Dann ist der Musikunterricht nicht mehr eine Pflichtkür nach Schema (oder Lehrbuch), sondern ein Fundus für Phantasie, Geschicklichkeit, Sozialkompetenz und geistige Wachsamkeit.

Februar 2000 - Pius Haefliger